Mittwoch, 24. Juni 2009

Call Girl widerspricht Berlusconi

Der Skandal um Partys und Call Girls, wegen dem Regierungschef Silvio Berlusconi im Rampenlicht der Medien steht, sorgt täglich für neue Schlagzeilen.

Die 42-jährige Patrizia D'Addario, die vor den Ermittlern behauptet hatte, eine Nacht in Berlusconis Privatresidenz in Rom verbracht zu haben, hat nun die Vorwürfe des Premiers zurückgewiesen, sie sei eine Lügnerin.

Die Frau habe den Auftrag erhalten, ihn zu verleumden und werde dafür reichlich bezahlt, hatte Berlusconi in einem Interview mit dem am Mittwoch erschienenen Klatschmagazin „Chi" gesagt.

„Ich bin keineswegs bezahlt worden, um Berlusconi zu verleumden. Sollte Berlusconi auf irgendeine Weise bezeugen können, dass ich Geld bekommen habe, um ihn in Misskredit zu bringen, soll er sich an die Justiz wenden. Ansonsten bitte ich ihn, auf solche Aussagen zu verzichten", sagte D'Addario nach Angaben italienischer Medien vom Mittwoch.

Die Affäre rund um Partys und Prostitution wurde von D'Addario ausgelöst. Diese hatte vergangene Woche in einem Interview und vor den Ermittlern berichtet, dass sie im vergangenen Herbst gemeinsam mit dem mit Berlusconi befreundeten Unternehmer Giampaolo Tarantini zu zwei Partys in Berlusconis Privatresidenz Palazzo Grazioli eingeladen worden sei.

Dafür seien ihr 2.000 Euro versprochen worden. Da sie bei Berlusconi nicht übernachtet hatte, wurden ihr angeblich nur 1.000 Euro gezahlt. Ein zweites Mal habe sie bei Berlusconi die Nacht verbracht, aber dafür kein Geld bekommen.

D'Addario berichtete, sie habe ein Video in Berlusconis Schlafzimmer im prunkvollen Palazzo Grazioli in Rom aufgenommen, das sie den Ermittlern als Beweis ihrer Aussagen übergegeben habe.

Weitere vier junge Frauen, die zu Berlusconis Partys eingeladen worden seien, wurden von der Staatsanwaltschaft vernommen. D'Addario berichtete, sie sei über Berlusconi enttäuscht, weil er ihr Hilfe in Zusammenhang mit der Genehmigung für den Bau von Wohnungen auf einem Grundstück ihrer Familie versprochen hatte, aber nicht sein Wort nicht hielt.

„Berlusconi hat mein Vertrauen verraten. Ich habe bei ihm übernachtet, ohne Geld zu bekommen. Ich habe mir Hilfe für mein Grundstück erwartet. Mein Vater hat all sein Geld in dieses Projekt investiert und hat sich dafür verschuldet. Vor elf Jahren war er deshalb an den Rand des Bankrotts geraten und hat sich das Leben genommen", so D'Addario.

Abgehörte Telefongespräche hätten ergeben, dass der Unternehmer Tarantini den Beschäftigten eines Begleitdienstes Geld dafür gegeben habe, dass sie die Nacht auf Berlusconis Anwesen in Rom und auf Sardinien verbrachten.

Die Staatsanwaltschaft will jetzt feststellen, ob Tarantini öfters einflussreichen Persönlichkeiten junge Frauen vermittelt hat. Die Ermittler vermuten, dass der Unternehmer sich somit politische Begünstigungen für seine Geschäfte im Gesundheitsbereich sicherte.

Der Unternehmer ist der Inhaber der Gesellschaft Tecnohospital, die auf Dienstleistungen im Gesundheitsbereich spezialisiert ist. Gegen den Unternehmer sind jüngst Ermittlungen wegen Korruption in die Wege geleitet worden.

apa

Dienstag, 23. Juni 2009

„Habe nie für Frauen bezahlt"

Ministerpräsident Silvio Berlusconi gerät wegen seiner Affären um junge Mädchen, Callgirls und jetzt angeblich auch um einen Transsexuellen immer stärker unter Druck.

Verteidigungsminister Ignazio La Russa riet seinem Regierungschef zu mehr Ernsthaftigkeit: „Basta mit Privatem", erklärte La Russa in einem Interview mit dem Mailänder „Corriere della Sera" am Dienstag und forderte Berlusconi auf, sich „auf das Regieren zu konzentrieren und sich nicht mehr von Privatgeschichten ablenken zu lassen".

"Ich habe nie eine Frau bezahlt"

Derweil versucht Berlusconi einen Befreiungsschlag: „Ich habe nie eine Frau bezahlt", versicherte er dem Wochenblatt „Chi". Das Showgirl Patrizia D'Addario sei gezielt auf ihn angesetzt und dafür entlohnt worden.

Hintergrund der öffentlichen Ermahnung La Russas sind die seit Wochen andauernden Enthüllungen über das angeblich wilde Privatleben des Medienmoguls. Gegenwärtig steht D'Addario samt zweier Freundinnen im Zentrum.

Die Damen aus Bari behaupten, sie seien Berlusconi gegen Geld zur Verfügung gestanden. Tonbänder, die der Staatsanwaltschaft vorliegen, könnten nach Presseberichten alles beweisen und brächten 15 weitere Mädchen ins Spiel.

"Bezahlter Auftrag"

„Hinter der Sache steckt jemand, der dieser Signora D'Addario einen sehr präzisen und bestens bezahlten Auftrag gegeben hat", wehrt sich Berlusconi in dem Interview, das am Mittwoch erscheint.

„Sexuelle Befriedigung ohne das Vergnügen der Eroberung funktioniert nicht", verwahrte sich der 72-Jährige gegen die Vorstellung, bezahlten Sex gehabt haben zu sollen.

Alle drei Frauen sollen nach Berichten der römischen Tageszeitung „La Repubblica" eng mit dem transsexuellen Talent-Scout und TV-Star Manila Gorio befreundet gewesen sein.

Im Umfeld von dessen Show seien sie vermutlich von einem 27-jährigen Drogenhändler für die Teilnahme an Festen in Berlusconis Villen rekrutiert worden.

Neben La Russa und anderen konservativen Parteigenossen Berlusconis stören die Skandale nun auch das katholische Italien immer mehr. So forderte die Tageszeitung „Avvenire" der italienischen Bischofskonferenz eine rasche Klärung der Affären.

dpa

„Sexistisch": Tadel für Berlusconi aus dem Ausland

Seit Tagen füllt Regierungschef Silvio Berlusconi die Seiten der in- und ausländischen Presse. Bisher quittierte er die Schlagzeilen mit einem süffisanten Lächeln oder Ironie. Der Ton wird jedoch zunehmend schärfer.

„Wenn es in Europa einen Wettbewerb für den sexistischsten Politiker gäbe, dann würde diesen Berlusconi gewinnen", schreibt der „Guardian" am Dienstag in seinem Leitartikel.

„Schon allein wegen seiner frauenfeindlichen Haltung hätten die Italiener Berlusconi nicht an die Macht bringen dürfen", heißt es weiter. Mit dem Aufstieg Berlusconis sei die Opposition zunehmend geschwächt worden, „Opportunisten und Rassisten gewinnen hingegen immer stärker an Aufwind."

Die Konsequenz: „Sowohl Italien, als auch die Europäische Union werden Berlusconi wohl noch länger ertragen müssen", warnt der „Guardian".

Auch die „Times" widmet den Eskapaden und Affären Berlusconis drei Artikel. Mit der Schlussfolgerung: „Das Italien von Berlusconi vertritt einen merkwürdigen Feminismus". Berlusconi behandle die Frauen wie eine Ware und befriedige damit auch noch sein Ego.

Im „Cavaliere" sieht die „Times" die übersteigerte Form des klassischen Italieners: eitel, hochmütig, geschwätzig und sexuell unsicher.

Für die „Times" Anlass genug die First-Ladies der G-8-Staaten aufzurufen, den G-8-Gipfel in L'Aquila zu boykottieren. Denn: „Italien hat auf den Feminismus vergessen."

Ein Aufruf, der bereits von zahlreichen italienischen Akademikerinnen unterstützt wird, und auch vom „Daily Telegraph" aufgegriffen wurde.

Ironisch geht der „Independent" mit Italiens Ministerpräsident ins Gericht: „Ein Millionär, der für Liebe bezahlen muss?", fragt die englischsprachige Zeitung lakonisch am Dienstag und begibt sich dann auf Ursachenforschung.