Montag, 28. Februar 2011

Gerichtsmarathon für Berlusconi beginnt: vier Prozesse


Für den politisch angeschlagenen Regierungschef Silvio Berlusconi hat am Montag ein Gerichtsmarathon begonnen: In den kommenden sechs Wochen muss sich Berlusconi der Wiederaufnahme oder dem Beginn von vier Verfahren stellen.

Dabei geht es um Steuerbetrug, Korruption, Amtsmissbrauch und Sex mit einer Minderjährigen. Am Montag begann als erster der Prozess um Steuervergehen seines Konzerns Mediaset.

Höhepunkt wird das für den 6. April angesetzte Schnellverfahren um seine Sexaffäre sein.

Berlusconi nicht anwesend

Zum Mediaset-Auftakt am Montag war Berlusconi zwar in Mailand, aber nicht im Gericht. Dieser Prozess war im April 2010 ausgesetzt worden, weil die Mitte-Rechts-Mehrheit im Parlament Berlusconi eine Quasi-Immunität verschafft hatte.

Im Januar dieses Jahres stutzte das Verfassungsgericht allerdings diesen Schutz für den 74-Jährigen vor der Justiz in einem Kernpunkt zurecht: Es ist jetzt der jeweilige Richter und nicht mehr Berlusconi, der entscheidet, ob der Regierungschef wegen politischer Termine nicht erscheinen kann.

Damit können drei Verfahren wieder beginnen. Bei Mediaset geht es um Steuervergehen beim Verkauf von Film- und TV-Rechten. Berlusconi und sein Konzern sollen dabei 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient haben.

Ein Dutzend Angeklagte

Insgesamt gibt es ein Dutzend Angeklagte, darunter Mediaset-Präsident Fedele Confalonieri. Zu Beginn wollte das Gericht zunächst einmal nur die Termine für die nächsten Prozesstage festlegen.

Um ähnliche Vergehen geht es auch in dem Mediatrade-Verfahren, das am kommenden Samstag in Mailand mit einer Voranhörung angegangen wird.

Der Mailänder Medienzar und Milliardär kann aber trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichts noch wichtige politische Termine geltend machen, um nicht vor Gericht erscheinen zu müssen.

Das dürfte am 11. März der Fall sein, wenn das Verfahren wegen Bestechung des britischen Anwalts David Mills wieder aufgerollt wird.

Diesem soll Berlusconi für Falschaussagen in den 1990er Jahren 600 000 Dollar (436 000 Euro) gezahlt haben. Weil Berlusoni im Fall Mills eine baldige Verurteilung droht, sucht sein Lager nach einem neuen Schutz für ihn vor den Richtern, etwa durch verkürzte Verjährungsfristen.

Auch in dem vor allem von den Medien mit Spannung erwarteten Schnellverfahren um die Marokkanerin Ruby könnte er „verhindert“ sein: Am 6. April ist der zweite Jahrestag des schweren Erdbebens in den Abruzzen, und Berlusconi dürfte dafür nach L'Aquila reisen.

apa

Mittwoch, 16. Februar 2011

Eine Chronologie


Mafia, Korruption und wilde Partys –Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist nicht nur wegen seiner engen Kontakte zu dem marokkanischen Partygirl „Ruby“ in die Schlagzeilen geraten.

Ein Korruptionsprozess gegen Berlusconi wurde 2008 vorübergehend ausgesetzt, weil ihm ein neues umstrittenes Gesetz Immunität verlieh.

Das Verfassungsgericht hat das Gesetz mittlerweile gekippt. Mehrere Verfahren gegen Berlusconi können damit neu aufgerollt werden.

So muss sich der Medien-Milliardär wegen der Bestechung des britischen Anwalts David Mills verantworten.

1998 soll Berlusconi 600.000 US-Dollar (443.000 Euro) bezahlt haben, damit dieser in Prozessen gegen seinen Medienkonzern Falschaussagen macht.

Zudem geht es um den sogenannten Mediaset-Prozess und damit um Steuervergehen beim Verkauf von Filmrechten.

Dabei sollen Berlusconi und sein Konzern mindestens 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient haben.

Um Steuerbetrug und Unregelmäßigkeiten bei dem Verkauf von TV-Rechten dreht es sich in einem dritten Verfahren, das im Anfangsstadium ist.

Drei prominente Mitglieder von Berlusconis Regierungspartei PdL gerieten im Juli 2010 ins Visier der Staatsanwaltschaft – darunter ein wegen Geschäften mit der Mafia bereits verurteilter Berlusconi-Freund.

Die Justiz wirft ihnen unter anderem vor, eine kriminelle Vereinigung mit aufgebaut zu haben, um politische und juristische Entscheidungen des Landes zu beeinflussen. Zuvor hatte ein ehemaliger Mafia-Killer Berlusconi vor Gericht mit einer Serie von Bombenanschlägen in Verbindung gebracht.

Als Kandidatinnen der Regierungspartei für die Europawahl 2009 schlug Berlusconi drei junge Schönheiten vor: eine ehemalige TV-Ansagerin, eine Fernsehschauspielerin und eine Sängerin – „Schamlose Luder im Dienst der Macht“, kommentierte seine damalige Ehefrau Veronica Lario. Sie reichte 2009 die Scheidung ein.

Eine angebliche Affäre mit der Schülerin Noemi Letizia hatte schon zuvor für Aufsehen gesorgt. Nach einem Besuch des Medienmoguls auf Noemis Party zum 18. Geburtstag hatte Lario öffentlich gesagt, Berlusconi treffe sich „mit Minderjährigen“. Gerüchte um eine Liaison mit der Schülerin, die ihn „Papi“ nannte, wies er zurück.

dpa

Das schreibt das Ausland

„Kurzer Prozess“ für Silvio Berlusconi: Der Regierungschef muss sich wegen der Sexaffäre um die eine junge Marokkanerin in einem Schnellverfahren vor Gericht verantworten. Ein Thema, das auch die ausländische Presse beschäftigt. Hier einige Auszüge.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zu Berlusconi

Die Art und Weise, wie die Staatsanwälte Beweise über das wüste Treiben in Berlusconis „Villa Arcore“ gesammelt haben, entspricht allerdings auch nicht ganz den Vorstellungen von rechtsstaatlicher Korrektheit, die in nördlicheren Breiten vorherrschen. Jedenfalls liefert sie Berlusconis Anwälten genügend Kritikpunkte, um den Prozess, der jetzt eröffnet wird, durch Verfahrenstricks und Anfechtungen zu verzögern. Das alles wäre eine rein italienische Angelegenheit, wenn es nicht so wirkte, als sei das Regieren in einem wichtigen EU-Land zur Nebenbeschäftigung des Regierungschefs geworden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Berlusconi, der mit 74 Jahren den Zenit seiner politischen Laufbahn ohnehin über- schritten hat, sich hauptsächlich aus privaten Gründen an seinem Amt festklammert.

Stuttgarter Zeitung“ zu Berlusconi

Politisch-moralisch wäre in jedem Land zumindest Westeuropas klar, was ein derart verstrickter Regierungschef zu tun hätte. Einer, der von einer Prostituierten nachts auf dem Privathandy angerufen wird (wie kam sie nur an seine Nummer?), der seinerseits dann mit einem Polizeiquartier telefoniert, um als Regierungschef und unter Lügen eine andere, auch noch minderjährige Prostituierte freizupressen, die erwiesenermaßen mehrfach bei ihm war - so einer ist untragbar. Bei Berlusconi aber, mit einem Bonmot gesagt, geht es nun schon so lange bergab, dass mit einer Ankunft in der Talsohle schon keiner mehr rechnet. Und genau deswegen bleibt er im Amt.

„Darmstädter Echo“ zu Berlusconi

Dass die italienische Justiz dem Cavaliere nun nach jahrelangem Tauziehen möglicherweise doch noch den Prozess macht, ist ein Hoffnungsschimmer. Sie tut das, was ihr die politische Klasse jahrelang verboten hatte und was Italiens Intellektuellen nie gelang: Sie ruft den Premier zur Räson.

„Badische Zeitung“ (Freiburg) zu Berlusconi

Was dramatisch und medienwirksam aussieht, könnte doch ein Vorwand für Berlusconis Anwälte sein, die Richterinnen wegen Befangenheit abzulehnen; ganz zu schweigen davon, dass sie ohnehin nicht das Gericht in Mailand für zuständig halten. Und Berlusconi selbst? Er kann ab und an Termine als Regierungschef vorschützen, um den Prozess zu verzögern. Eines gilt in Italien jedenfalls als ausgeschlossen:
ein Rücktritt Berlusconis. Er sieht sich verfolgt von einer linken Richterschaft und will den Kampf gegen sie führen - dafür nimmt er es in Kauf, den Ruf Italiens in aller Welt zu ruinieren.

„Westfälische Nachrichten“ (Münster) zu Berlusconi

Wenn nie etwas passiert sei, wie Silvio Berlusconi rührselig behauptet, wäre dies wohl das traurigste Kapitel im Leben des alternden Cavaliere. Dass Berlusconi vor Gericht ausgerechnet drei Richterinnen Rede und Antwort stehen muss, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Wird nun die Affäre um eine 17-Jährige zum Stolperstein für den Regierungschef? Berlusconi muss bei einer Verurteilung mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Die politische Karriere des 74-Jährigen wäre damit am Ende. Doch bei einem wie Berlusconi darf man nicht sicher sein, dass er im Stiefel nicht doch noch ein Schlupfloch findet.

Dienstag, 15. Februar 2011

Sexaffäre: Ab 6. April schneller Prozess für Berlusconi


„Kurzer Prozess“ für Silvio Berlusconi: Der Regierungschef muss sich wegen der Sexaffäre um die eine junge Marokkanerin in einem Schnellverfahren vor Gericht verantworten.

Die Anklagepunkte lauten auf Amtsmissbrauch und Umgang mit minderjährigen Prostituierten. Das entschied die Ermittlungsrichterin Cristina Di Censo am Dienstag in Mailand auf Antrag der Staatsanwälte.

Für die beiden Anklagepunkte Amtsmissbrauch und Umgang mit minderjährigen Prostituierten gebe es ausreichend Beweise, begründete die Ermittlungsrichterin ihre Zustimmung zu dem beantragten Schnellverfahren gegen Berlusconi.

Die Geschädigten in dem Verfahren seien in punkto Amtsmissbrauch das italienische Innenministerium und im Hinblick auf den Vorwurf des Umgangs mit minderjährigen Prostituierten die junge Marokkanerin. Amtsmissbrauch wird mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft, Prostitution mit Minderjährigen mit höchstens drei Jahren.

Der Prozess soll am 6. April in Mailand beginnen. Drei Richterinnen sind ausgewählt, über das Schicksal Berlusconis zu entscheiden.
Im Falle einer Verurteilung drohen Berlusconi bis zu 15 Jahre Haft.

Amtsmissbrauch wird mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft, Prostitution mit Minderjährigen mit höchstens drei Jahren.

Regierungschef Berlusconi, der sich derzeit in Palermo aufhält, weigerte sich, den Beschluss der Untersuchungsrichterin zu kommentieren.

Amtsmissbrauch wird dem 74-jährigen Medienmogul vorgeworfen, weil er im Mai des vergangenen Jahres die damals 17-jährige Marokkanerin „Ruby“ alias Karima El-Marough persönlich vor dem Gefängnis bewahrt haben soll.

Berlusconi hatte dies selbst eingeräumt, den Vorwurf des Amtsmissbrauchs jedoch zurückgewiesen.

Vielmehr habe er so handeln müssen, um einen „diplomatischen Zwischenfall“ zu vermeiden in der Annahme, bei Ruby handele es sich um die Nichte des damaligen ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak. Seine Anwälte wollen Beweise dafür haben, dass Berlusconi dies glauben musste.

Der Anklagepunkt des Umgangs mit minderjährigen Prostituierten stützt sich vor allem auf abgehörte Telefongespräche. Auch hier geht es um die damals noch 17-jährige Marokkanerin, die in Italien „Ruby Rubacuori“ (Ruby Herzensdieb) genannt wird.

Sie soll zusammen mit anderen Prostituierten bei wüsten Partys in Berlusconis Villa Arcore bei Mailand mitgemacht haben. Sie selbst soll in den Telefonmitschnitten gesagt haben, sie sei schon im Alter von 16 Gast des Ministerpräsidenten gewesen.

Öffentlich hatten beide – sowohl Berlusconi als auch das Mädchen – stets abgestritten, miteinander Sex gehabt zu haben.

Gegen Berlusconi waren in der Vergangenheit bereits mehrere Verfahren angestrengt worden.

Die Mehrheit im Parlament hatte ihm allerdings einen juristischen Schutz vor mehreren Prozessen verschafft.

Im Januar entzogen ihm die höchsten Richter den wichtigsten Teil dieser „Quasi-Immunität“ gegen Gerichtsverfahren.

dpa