Mittwoch, 16. Februar 2011

Das schreibt das Ausland

„Kurzer Prozess“ für Silvio Berlusconi: Der Regierungschef muss sich wegen der Sexaffäre um die eine junge Marokkanerin in einem Schnellverfahren vor Gericht verantworten. Ein Thema, das auch die ausländische Presse beschäftigt. Hier einige Auszüge.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zu Berlusconi

Die Art und Weise, wie die Staatsanwälte Beweise über das wüste Treiben in Berlusconis „Villa Arcore“ gesammelt haben, entspricht allerdings auch nicht ganz den Vorstellungen von rechtsstaatlicher Korrektheit, die in nördlicheren Breiten vorherrschen. Jedenfalls liefert sie Berlusconis Anwälten genügend Kritikpunkte, um den Prozess, der jetzt eröffnet wird, durch Verfahrenstricks und Anfechtungen zu verzögern. Das alles wäre eine rein italienische Angelegenheit, wenn es nicht so wirkte, als sei das Regieren in einem wichtigen EU-Land zur Nebenbeschäftigung des Regierungschefs geworden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Berlusconi, der mit 74 Jahren den Zenit seiner politischen Laufbahn ohnehin über- schritten hat, sich hauptsächlich aus privaten Gründen an seinem Amt festklammert.

Stuttgarter Zeitung“ zu Berlusconi

Politisch-moralisch wäre in jedem Land zumindest Westeuropas klar, was ein derart verstrickter Regierungschef zu tun hätte. Einer, der von einer Prostituierten nachts auf dem Privathandy angerufen wird (wie kam sie nur an seine Nummer?), der seinerseits dann mit einem Polizeiquartier telefoniert, um als Regierungschef und unter Lügen eine andere, auch noch minderjährige Prostituierte freizupressen, die erwiesenermaßen mehrfach bei ihm war - so einer ist untragbar. Bei Berlusconi aber, mit einem Bonmot gesagt, geht es nun schon so lange bergab, dass mit einer Ankunft in der Talsohle schon keiner mehr rechnet. Und genau deswegen bleibt er im Amt.

„Darmstädter Echo“ zu Berlusconi

Dass die italienische Justiz dem Cavaliere nun nach jahrelangem Tauziehen möglicherweise doch noch den Prozess macht, ist ein Hoffnungsschimmer. Sie tut das, was ihr die politische Klasse jahrelang verboten hatte und was Italiens Intellektuellen nie gelang: Sie ruft den Premier zur Räson.

„Badische Zeitung“ (Freiburg) zu Berlusconi

Was dramatisch und medienwirksam aussieht, könnte doch ein Vorwand für Berlusconis Anwälte sein, die Richterinnen wegen Befangenheit abzulehnen; ganz zu schweigen davon, dass sie ohnehin nicht das Gericht in Mailand für zuständig halten. Und Berlusconi selbst? Er kann ab und an Termine als Regierungschef vorschützen, um den Prozess zu verzögern. Eines gilt in Italien jedenfalls als ausgeschlossen:
ein Rücktritt Berlusconis. Er sieht sich verfolgt von einer linken Richterschaft und will den Kampf gegen sie führen - dafür nimmt er es in Kauf, den Ruf Italiens in aller Welt zu ruinieren.

„Westfälische Nachrichten“ (Münster) zu Berlusconi

Wenn nie etwas passiert sei, wie Silvio Berlusconi rührselig behauptet, wäre dies wohl das traurigste Kapitel im Leben des alternden Cavaliere. Dass Berlusconi vor Gericht ausgerechnet drei Richterinnen Rede und Antwort stehen muss, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Wird nun die Affäre um eine 17-Jährige zum Stolperstein für den Regierungschef? Berlusconi muss bei einer Verurteilung mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Die politische Karriere des 74-Jährigen wäre damit am Ende. Doch bei einem wie Berlusconi darf man nicht sicher sein, dass er im Stiefel nicht doch noch ein Schlupfloch findet.

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