Freitag, 11. Juli 2008

„Berlusconi demütigt das Parlament“

„Berlusconi demütigt das Parlament“ „Lex Berlusconi“ oder „Gesetz ad personam“ - es gibt in Italien gleich mehrere Ausdrücke für die derzeitigen Bemühungen des konservativen Regierungschefs, einer Verurteilung in einem gegen ihn laufenden Korruptionsverfahren zu entgehen.

Schon seit Wochen scheint es im Parlament kein anderes Thema mehr zu geben, als die immer neuen Versuche, Silvio Berlusconi aus den Krallen der Justiz zu befreien.
Nun wurde in der Abgeordnetenkammer nach nur zweitägigen Debatten ein Immunitätsgesetz verabschiedet, wonach Prozesse gegen die vier ranghöchsten Staatsvertreter (Staats- und Ministerpräsident sowie die Parlaments-Präsidenten) ausgesetzt werden, solange diese im Amt sind.

„Was für das Land wirklich wichtig ist und Priorität haben sollte, ist eine Erhöhung der Gehälter und der Renten“, entrüstete sich Oppositionschef Walter Veltroni.

„Innerhalb von 48 Stunden ist ein Gesetz für eine einzige Person diskutiert und verabschiedet worden, während das Land seit sechs Jahren auf ein Gesetz für hilfsbedürftige Senioren wartet.“

„Eine Schweinerei“

Die Regierung habe jeden Realitätssinn verloren, monierte er. Massimo Donadi von der Oppositionspartei „Italia dei Valori“ (Idv) fand noch deutlichere Worte und bezeichnete das Immunitätsgesetz als „eine Schweinerei, die die Verfassung verletzt und das Parlament demütigt“.

Bereits am vergangenen Wochenende waren in Rom rund zehntausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Berlusconis Politik zu demonstrieren.

Aussetzung der Prozesse darf nur einmalig angewandt werden

Einen kleinen Erfolg konnte die Linke allerdings verbuchen: In den Gesetzesentwurf wurde auf ihr Drängen eine Klausel eingebaut, die besagt, dass die Aussetzung der Prozesse nur einmalig angewandt werden darf.

Falls Berlusconi sich also künftig erfolgreich um das Amt des Staatspräsidenten bewerben sollte - was er in der Vergangenheit bereits mehrmals angekündigt hat - würde das Immunitätsgesetz für ihn nicht mehr gelten.

Berlusconi und die Justiz - das ist in Italien seit langem ein Thema. In der Vergangenheit liefen teilweise sechs Prozesse gegen ihn, wobei er jedoch - unter anderem durch Gesetzesänderungen - einer endgültigen Verurteilung immer wieder entging.

Gesetze werden im Schnellverfahren durchgepeitscht

Derzeit steht der Medienmilliardär in Mailand vor Gericht, weil er 1997 den britischen Anwalt David Mills zwecks Falschaussagen mit 600 000 Dollar bestochen haben soll.

Seine Verbündeten rechtfertigen die derzeitigen „Gesetze im Schnellverfahren“ damit, dass eine Verurteilung dem internationalen Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Regierung schaden würde. Berlusconi sei vom Volk gewählt worden und müsse deshalb ungestört regieren können, heißt es.

Der „Cavaliere“ selbst schimpft hingegen immer wieder auf die „roten“ Richter, die seiner Meinung nach allesamt von der linken Opposition beeinflusst sind. Die Turiner Zeitung „La Stampa“ bezeichnete die politischen Ereignisse der vergangenen Wochen als „erschütternd“.

Bereits vor wenigen Wochen hatte die Regierung im Senat ein anderes Gesetzesdekret durchgeboxt, wonach all diejenigen Verfahren zwölf Monate lang ruhen sollen, bei denen es um Delikte aus der Zeit vor Juni 2002 geht.

Die Gerichte im Land sollen sich demnach lieber auf schwerwiegende Tatbestände wie Mafia-Verbrechen oder Terrorismus konzentrieren. Der ehemalige linke Ministerpräsident Massimo D’Alema forderte Berlusconi jetzt auf, sich „erhobenen Hauptes“ den gegen ihn angestrengten Prozessen zu stellen. Seine „autoritären Entscheidungen“ hätten auch viele Regierungspolitiker in Verlegenheit gebracht, betonte D’Alema.

“Geht ruhig schlafen, ich bin mittlerweile sowieso ein Heiliger“

Berlusconi selbst scheint von all der Kritik unbeeindruckt. Bei der Abstimmung über das Immunitätsgesetz war er nicht einmal anwesend. Die Zustimmung war ihm sicher, da er in beiden Kammern über eine komfortable Mehrheit verfügt.

Am Donnerstagabend setzte er vor Journalisten sogar noch einen drauf und erklärte: „Geht jetzt ruhig schlafen, ich bin mittlerweile sowieso ein Heiliger.“

Keine Kommentare: